Obwohl diese abessinische Zufallsbekanntschaft zurückreicht bis ins Jahr 1973 – da war ich jugendfrische 19 Jahre alt –, kommt es mir nicht so vor, als seien seitdem fast 50 Jahre vergangen. Denn meine Bewunderung für Grazie und Anmut der Abessinier, meine Liebe zu ihrem einmaligen Wesen ist jung wie am ersten Tag. Am Anfang stand einfach die Liebe zu allem, was Katze war. Schon als ich noch ein kleines Kind war, übten Katzen auf mich eine fast magische Faszination aus. Stundenlang konnte ich sie einfach nur ansehen und immer wieder auf denselben Spazierwegen beharren ... in der Überzeugung, einer dabei entdeckten Katze bestimmt wieder zu begegnen. – Jahr um Jahr enthielt der weihnachtliche Wunschzettel „eine lebendige Katze“. Jahr um Jahr vergeblich! Nicht, dass man in unserer Familie etwas gegen Katzen gehabt hätte, nein, man fand sie nur einfach nicht so bemerkenswert, wie ich das tat. Dass es dennoch eines Tages „klappte“ und die übrige Familie – mindestens zu überwiegenden Teilen – recht schnell von der Notwendigkeit eines kätzischen Hausgenossen überzeugt war, verdanke ich dem Umzug an den Kasseler Stadtrand. Allenthalben traf man dort auf Katzen, die diesem oder jenem oder auch keinem gehörten. Und eines Tages blieben sie eben einfach da: Muschili, die Fröhliche, Verspielte und Schöne, für wenige Wochen, ihre Nachfolgerin Miezli, ein von hartem Winter gezeichnetes gekrümmtes Silbertigerchen, für fast fünf Jahre. Beide verloren ihr Leben auf unnatürliche Weise, die eine im Straßenverkehr, die andere durch die Hand eines neuen Nachbarn. „Nie wieder eine Katze!“, hieß es erst. „Nie wieder eine Freigängerin!“, relativierend sodann. Also: etwas fürs Haus, denn ganz „ohne“ ging es eben mittlerweile doch nicht mehr! „Rassekatze“ war das Stichwort! Auf die Abessinier kam ich dann eigentlich per Zufall. Den entscheidenden Tipp erhielten wir von einem damals gerade aus England zurückgekehrten Verwandten: Abessinier, meinte dieser, die seien bildschön und wie aus anderen Welten. Er hatte sie thronen gesehen, eine wildfarbene Abessinier, in London anlässlich der traditionellen Ausstellung im Crystal Palace … auf ihrem Ausstellungskäfig … beschienen von der Sonne … leuchtend und strahlend … wie eine Statue aus dem alten Ägypten.
In Deutschland gab es Anfang der 70er Jahre vier oder fünf Züchter. Ausgestattet mit den „onkelseitigen“ Informationen steuerte ich mit meinen Eltern im Herbst 1973 eine Ausstellung in Essen an und hatte dort das Glück, Frau Gabriele Scheidig kennen zu lernen. Rasch war Kontakt geknüpft, Briefe und Telefonate gingen hin und her. Ein Jahr hatten wir uns in Geduld zu fassen, bis wir SIE endlich abholen konnten: Rapunzel von Equiloc Abessinier wildfarben 30. Juni 1974 bis 14. Januar 1980 Eltern / Parents: Dormet Quin Ter Xius (Aby o) Undine vom Friedenshain (Aby n) | | Rapunzel war eine Abessinierin von leuchtender Farbe mit brillantem Ticking, aber auch – wie damals normal – mit viel Grau im Unterfell, eine mit lebhaft grünen Augen und langen Luchspinseln auf den (natürlich spitzen!) Ohren. In ihrem Wesen war Rapunzel von besonderer Art, eigenwillig, kapriziös und einfallsreich, eben wie jene Märchenprinzessin gleichen Namens. Wenn sie saß, dann saß sie nicht nur, sie thronte. Pünktlich forderte sie ihre Spielstunde in der von ihr heiß geliebten Papiertüte. Sie bat nicht um Aufmerksamkeit, nein, sie ließ sich herab, gestreichelt zu werden und schlug gnadenlos zu, wenn nur eine Berührung zuviel erfolgte. Alle Katzen der Umgebung dirigierte sie – selbst residierend ohne Freilauf an langer Leine auf der Terrasse – allein mit Blicken. Eine Respekt fordernde Königin ihrer Rasse! Die Entstehung ihres einzigen Wurfes bereitete zugleich auch ihrem Tod das Feld. Beim Kater infizierte sie sich mit dem damaligen Schreckgespenst Leukose, an dem hintereinander ihre vier Kinder und schließlich sie selbst starben, Opfer eines unwissenden Tierarztes, der uns vom Test abgeraten hatte. Mich hatte, da Rapunzel meine Mutter als „ihren“ Menschen erwählt hatte, das Abessinier-Virus über ihre Tochter Bhawani längst ebenfalls infiziert – schleichend und unbemerkt und mittlerweile längst chronisch geworden. – Bhawani, die so ganz anders war als ihre Mutter, sanft und anhänglich und immer verträglich! Wie gern hätte ich sie 1978 bei meinem Umzug nach Berlin mitgenommen! Doch wenige Wochen vorher starb sie und liegt begraben im Garten meines Elternhauses in Kassel. So liegt also die Wiege der Cellani Abessinier Katzen in Berlin gar nicht in Berlin, sondern im Nordhessischen. |